Moin Ole,
Wie geht’s denn so?


Moin Mathias, ziemlich ruhig aber doch lebendig. Wenn man nicht wüßte, daß im Verborgenen weiterhin vieles im Argen liegt, könnte man sogar sagen: friedlich. Was macht die Globale Gesundheit in Witzenhausen?


MB: Es wird ja gerade viel darüber diskutiert, wie es in den nächsten Wochen weitergehen wird und wann wir wieder zur Normalität zurückkehren werden. Während die politischen Entscheidungsträger die Entwicklung erst einmal abwarten wollen, äußern sich immer mehr Experten, aber auch viele Personen, die sich zwar z.B. mit Viren ganz gut, mit der öffentlichen Gesundheitsvorsorge, gesellschaftlichen Gegebenheiten und dem großen Feld der Politik aber eher weniger gut auskennen. Auch wen die Medien zu „Experten“ machen, spielt hier sicherlich eine Rolle. Die derzeitige „Strategie von Hammer und Tanz“ scheint mir konsequent. Jedoch wachsen täglich die Zweifel daran. durch die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und die massiven ökonomischen Folgen, die schon jetzt überall spürbar sind, kommen offenbar mehr Menschen gesundheitlich und psychisch zu Schaden, als durch das Corona-Virus selbst. Es wird auch davon gesprochen, dass wir eine neue Ethik für globale Notfälle, wie diese Pandemie, benötigen. Daher fordert z.B. Hugo Slim, Mitbegründer des Oxford Consortium für Human Rights, „dass Regierungen, Bürger und humanitäre Organisationen sehr bewusst eine dringende Ethik entwickeln, die vernünftig, transparent, fair und von allen allgemein akzeptiert wird.“ Letzteres wird nur sehr schwierig zu erreichen sein, da die menschliche Ethik „noch keinen perfekten Weg gefunden hat, um alle gleich und gut zu behandeln.“

Benötigen wir also solch eine „Ethik für globale Notfälle“? Und wird diese wirklich für alle Menschen gleichermaßen gelten? Oder bestimmen wir im reichen, globalen Norden wieder, was für die ganze Welt gelten soll?

Was denkst Du?


OD: Wir befinden uns gerade in der wohl entscheidenden Phase: in den nächsten 10 Tagen wird sich zeigen, wie die Maßnahmen wirken. Es kommt darauf an, besonders aufmerksam, solidarisch und rücksichtsvoll zu bleiben, Da hilft die Rede vom „Normalzustand“ nicht wirklich. Normal ist immer jetzt. Ich hoffe, daß die Erfahrungen unter COVID-19 uns genau den früher so empfundenen „Normalzustand“ kritisch hinterfragen lassen, sobald das wieder möglich ist. Dazu gehört der Zustand unseres Gesundheitswesens und die Fähigkeit der Schulen, zu Orten des Gesundheits-Lernens zu werden. Wenn wir irgendwann mit einem „blauen Auge“ davonkommen, wird es vielleicht erst unbequem. Die jetzige Normalität heisst: lernen umzusteuern, neu zu überlegen, was uns für unsere Gesellschaft wichtig ist. Wie wollen wir uns als verantwortungsvolle Weltbürger verstehen? Nicht in rechthaberischem Wohlbefinden sondern im alltäglichen Handeln.

Daher halte ich wenig von „Hammer“-Bildern. Wenn wir uns auf eine Phase der harten Hand einigen, dann darf diese nicht in die menschenfeindliche Logik einer Sozialtechnik umschlagen. Sie benötigt das menschliche Maß für kulturelle Gestaltung – und das liegt immer im Lernen. Gerade die harte Hand verlangt enorm viel Feingefühl. Eine martialische Sprache halte ich für unverantwortlich. Wir sollten uns vielmehr bemühen, besonders in der Art wie wir mit einander und über die Probleme sprechen, feinfühlig und präzise zu sein. „Tanzen“ müssen wir sowieso immer – das ist die einzige zivilisierte soziale Umgangsform. Eine Ethik für Notfälle wäre dann nur eine besondere Ausdehnung der einen, umfassenden Ethik der Vernunft. So kann jeder immer Verantwortung übernehmen, gleich unter welchen Umständen. Es liegt an uns zu entscheiden, ob wir in EINER Welt leben lernen wollen oder uns an die Fiktion von „erster, zweiter, dritter Welt(en)“ klammern, die sich je nur um sich selbst kümmern.

Morgen möchte ich dich nach deiner ärztlichen Meinung zur Einschränkung von Bürgerrechten fragen, damit wir uns gesund auf das Wochenende einstimmen können.
Salve!


MB: Jo, da fällt mir bestimmt was zu ein…Salve und bis Morgen…