Eine aktuelle Analyse zur Corona-Krise

Die Zusammenarbeit der internationalen Experten, der WHO und chinesischen Behörden bringt erste Früchte. Die Krankheit und das Virus haben nun Standardnamen. Während die unmittelbaren Maßnahmen der Diagnose, Versorgung und Prävention immer reibungsloser ablaufen, setzt die Aufklärung ein und ein Impfstoff ist in Sichtweite.
Die anerkannte wissenschaftliche Coronavirus Study Group CSG hat das Virus offiziell als „Schwester des SARS-CoVs“ der Gattung der „Schweren Akuten Respiratorisches Syndrom-bezogenen Coronaviren“ zugeordnet und bezeichnet die Krankheit entsprechend als SARS-CoV-2. Die WHO empfiehlt den Namen COVID-19 zu gebrauchen. Damit ist sowohl die Standardisierung für die Forschung verbunden als auch ein technischer Terminus, der Aufklärung ermöglichen und irrationalen Reaktionen oder Mißverständnissen entgegenwirken soll. So die Hoffnung des WHO-Generalsekretärs Tedros Ghebreyesus. Auch wenn die Zeit für eine Aufarbeitung der Umstände und des Umgangs mit dieser Epidemie noch nicht gekommen ist, ergeben sich bereits mindestens vier wichtige neue Einsichten über konkrete Zukunfts-Baustellen der Globalen Gesundheit:
(1) Das Früherkennungs- und Meldesystem muß sowohl innerhalb der Länder als auch grenzüberschreitend massiv reformiert werden. Die Lehren aus SARS 2003 haben einige Fortschritte bewirkt. Diese halten aber weder mit den pandemischen Szenarien unter Bedingungen der forstchreitenden globalen Mobilität Schritt noch nutzen sie ausreichend die technischen Möglichkeiten der neue Früherkennungstechnologien oder die Potentiale der Prävention und Aufklärung in der internetbasierten Zivilgesellschaft.
(2) Die wirtschaftliche Monopolstellung bei der Produktion pharmazeutischer Wirkstoffe behindert die multilateralen Zusammenarbeit. Mit China ist der neben Indien wichtigste Standort für die Herstellung der Wirkstoffe von Antibiotika direkt betroffen. Fällt diese Produktion unter Bedingungen massiver Nachfrage nach diesen Wirkstoffen aus, kann dies zu einer katastrophalen Verknappung führen, mit unabsehbaren Folgen für die Gesundheit, den sozialen Frieden und die überregionale Stabilität: Ostasien, Afrika und Europa befinden sich in einer existentiellen Interessengemeinschaft, die unmittelbaren Nutzen aus einer breit diversifizierenden Rückansiedelung der Pharma-Industrie in die Länder ziehen würde. Dieser Aspekt ergänzt die Debatten der Globalen Gesundheit zu den sozialen, ökonomischen und Governance-Fragen der AMR.
(3) Zunehmend erweist sich die Kommunikation als entscheidender Faktor, sowohl was die Geschwindigkeit der Reaktion auf epidemische Ausbrüche angeht als auch deren Governance. Hier geht es nicht nur darum, gesundheitsadministrative Entscheidungen zielgenau mitzuteilen. Es geht auch nicht nur um die Verständigung zwischen Kulturen. Die Behörden und Experten müssen lernen, tiefer in die gesundheitsrelevanten Handlungen der Bevölkerung hinein zu hören und durch Bildung die Voraussetzungen für individuelle Gesundheitskompetenz (z.B. Hygiene, Ernährung) zu legen, um angemessen reagieren und vorausschauend planen zu können. Dabei gilt es besonders, wissenschaftsferne Bevölkerungsgruppen mit Respekt zu begegnen und deren Einsicht in sinnvolles Gesundheitshandeln zu unterstützen.  
(4) Die internationale Zusammenarbeit der Forschung muß unter strikt wissenschaftlichen Gesichtspunkten organisiert und gefördert werden. Die COVID-19-Krise belegt, daß Wissenschaft von Konzepten und Mechanismen der Konkurrenz und Kommerzialisierung befreit werden muß, um ihre Arbeit zu leisten. Die bereits vielfach belegten permanenten Verstöße gegen die Grundregeln guter wissenschaftlicher Praxis durch gefälschte Studien, unseriöse Publikationspraxis und die künstliche Verknappung des Forscherwissens durch Beschränkung auf das Veröffentlichen von „Erfolgen“ erschweren die effiziente und effektive Arbeit der Wissenschaft – besonders auf dem inter-disziplinären Gebieten der Globalen Gesundheit. Hier muß neu über die Verknüpfung wissenschaftlicher Verantwortung mit geeigneten politische und ökonomischen Rahmenbedingungen nachgedacht werden.
Globale Gesundheit kann diese Baustellen durch kohärente Zusammenarbeit der vielfältigen Kompetenzen und Ressourcen bearbeiten. Hierbei kommt es besonders darauf an, die medizinischen mit den ökonomischen, kulturellen und ethischen Gesichtspunkten in Zusammenhänge zu stellen, in denen nachhaltige Reformen ermöglicht werden.
(Eine Analyse von Ole Döring)
Quellen/Referenzen: