Trump stoppt Beiträge für die WHO – „Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“
(Ein Kommentar von Mathias Bonk)
US-Präsident Donald Trump, der bereits mehrfach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Versäumnisse im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie vorgeworfen und sie als zu China-freundlich attackiert hatte, hat nun seine Regierung angewiesen die US-Zahlungen an die WHO zu stoppen. Diese Entscheidung wird von vielen Experten u.a. als „Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ (Richard Horton, The Lancet) kritisiert. Auch der UN Generalsekretär, Antonio Guterres, betont, dass es jetzt nicht der richtige Zeitpunkt sei, um mögliche Fehler oder Versäumnisse aller an der Pandemie-Bekämpfung beteiligter Akteure ohne eine eingehende Untersuchung zu diskutieren oder dringend benötigte Mitteln zu kürzen. Die WHO sei „absolut kritisch für die Bemühungen der Welt, den Krieg gegen Covid-19 zu gewinnen„.
Welchen Effekt wird dieser von Trump angekündigte Schritt auf die Arbeit der WHO und die globale Pandemiebekämpfung haben? Kurzfristig wird sich die Kürzung der Gelder vermutlich noch nicht bemerkbar machen, da die USA zwar in den letzten Jahren für jeweils ca. 15-20% des WHO Budgets verantwortlich gewesen ist, diese Zahlungen aber häufig auch erst relativ spät dort eingegangen sind. Zum 31.1.2020 hatte die USA bei der WHO noch fast 100 Millionen USD an ausstehenden Zahlungen zu verbuchen. Zudem hat die WHO mit dem neu geschaffenen COVID-19 Solidarity Response Fund bereits mehr als 350 Millionen USD für die Pandemie-Bekämpfung eingenommen, weitere 60 Millionen USD wurden zugesagt
Die Mittel- und langfristige Finanzierung der WHO wird sicherlich ein wichtiges Thema, nicht nur bei der Aufarbeitung dieser Pandemie, bleiben. Die bedeutende Rolle und das Mandat der WHO wurden durch diese noch einmal sehr deutlich gemacht. Es liegt – wie immer – an den Mitgliedsländern dem WHO Sekretariat und den Regional- und Länderbüros die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit diese die ihnen zugedachte Rollen auch entsprechend nachkommen können. Auch wenn die WHO wegen ihrer Gleichbehandlung aller Mitgliedsländer in Entscheidungsprozessen (One country, one vote) oftmals als eine „demokratische“ UN Organisation bezeichnet wird, so machen die festen Beiträge von Mitgliedsländern nur noch ca. 20% der frei verfügbaren Finanzmittel aus. Die restlichen ca. 80% werden als freiwillige, zumeist zweckgebundene Mittel von Ländern wie den USA, Japan, Großbritannien oder Deutschland sowie von großen, internationalen Stiftungen wie der Bill und Melinda Gates Stiftung oder Rotary International zur Verfügung gestellt. Die Pflichtbeiträge der Mitgliedsländer wurden im Übrigen seit den 80er Jahren auf Druck der USA nur minimal erhöht, wodurch der Einfluss der USA durch die dadurch unentbehrlichen, freiwilligen Zahlungen in den WHO Gremien deutlich gestiegen ist.
Falls die USA jetzt alle ihre Mittel stoppen würden, würde das – theoretisch – der weiteren Arbeit der WHO und damit auch der Gesundheit von Millionen von Menschen schaden. Zudem würde es zu einem weiteren Verlust an Respekt vor den USA führen. Andererseits würden die USA unter Umständen ihre Stimmrechte bei der Weltgesundheitsversammlung (WHA) verlieren und auch auf andere Entscheidungen deutlich weniger Einfluss nehmen können. Höchstwahrscheinlich werden nun aber erst einmal andere Länder die Lücke im WHO Budget kurzfristig schließen. Großbritannien, zum Beispiel, dass im Rahmen der WHO zumeist gemeinsam mit den USA abstimmt, hat bereits am Osterwochende der WHO weitere 65 Millionen britische Pfund für den Kampf gegen das Corona-Virus zugesagt. Dieses Geld soll zur Unterstützung von schutzbedürftigen Ländern dienen.
Zu diesen wird die USA wohl nicht zählen, obwohl das Land unter seinem jetzigen Präsidenten in kürzester Zeit und in vielerlei Hinsicht auch zu einem sehr schutzbedürftigen Land geworden ist. Zuerst machte er die erfolgreiche Gesundheitsreform seines Vorgängers („Obamacare“) weitestgehend rückgängig. Diese hatte Millionen von Menschen eine Krankenversicherung und damit die Möglichkeit zu einer besseren Gesundheitsvorsorge ermöglicht. Dann löste er eine Reihe von wichtigen Beratergremien im Bereich der Gesundheitssicherheit, wie die Global Health Security Unit des White House National Security Councils auf. Auch das international hoch angesehene Centre for Disease Control and Prevention (CDC), dass u.a. während der Ebola-Epidemie in Westafrika 2014/2015 der Welt gezeigt hat, welchen Einsatz die USA bereit ist, um eine globale Gesundheitskrise gemeinsam zu lösen, wurde von Donald Trump nun mehr oder weniger zum Schweigen verurteilt.
Durch die geplante Kürzung der Mittel an die WHO verfolgt Donald Trump mehrere seiner persönlichen Ziele. Zum einen will er seinen Wählern zeigen, dass er gleich mehrere Schuldige gefunden hat, die für die katastrophale Lage der USA verantwortlich sind und die er sogleich dafür bestrafen möchte. Da ist zum einen China, das er ohnehin schon immer als größten Konkurrenten für die US Wirtschaft erklärt hatte und das auch noch eigene Fehler besonders in der frühen Phase der Pandemie (bzw. da noch Epidemie) aufklären sollte. Zum anderen ist da jetzt insbesondere die WHO, auch stellvertretend als Symbol für das von Trump verhasste, multilaterale UN System. Während Trumps Kritik an China bei den Chinesen vorwiegend auf Desinteresse gestoßen ist, hat er mit der WHO ein vergleichsweises leichtes Opfer gefunden. Das deren Generaldirektor, Dr Tedros, vor dem Wochenende sichtlich emotional dann um eine Entpolitisierung der Pandemie („Please quarantine politicizing COVID“) gebeten hat, war für Donald Trump nun wohl Anlass genug, um die Debatte weiter zu verschärfen und damit von seinem eigenen, einzigartigen Versagen nicht nur in dieser Krise abzulenken. Wie viele seiner Wähler er damit überzeugen kann, bleibt abzuwarten.
Der von Trump mit der Aussetzung der Zahlungen an die WHO riskierte, gesundheitliche Schaden für Millionen von Menschen wird wahrscheinlich durch andere, verantwortungsbewusstere und solidarischere Länder wie Japan, Deutschland, Großbritannien, Australien oder Schweden, aber auch China, verhindert werden. Während die Gouverneure, Ärztinnen, Pfleger und andere Berufsgruppen gerade rund um die Uhr um die Gesundheit und das Leben von tausenden von Menschen in den USA kämpfen, ist ihr völlig überforderter Präsident bereits im Wahlkampfmodus und zerstört dabei auch den allerletzten Rest an Respekt, den die Welt vor ihm noch gehabt haben mag. Außer seinem persönlichen Ego hilft er mit dem Stopp der US-Zahlungen an die WHO niemandem, insbesondere nicht seinen Wählern, die das hoffentlich bald erkennen werden.