Sehr geehrte Damen und Herren, liebe IGGB Mitglieder,
der Herbst ist gekommen und er bringt neben einer farbenfrohen Landschaft auch wieder lange, dunkle Abende zum Innehalten mit sich. Nebenbei wird zum x-ten Male über Lösungsmöglichkeiten zur Bekämpfung des Klimawandels bzw. der Klimakatastrophe diskutiert. Die Situation scheint hier allerdings noch komplizierter zu sein als bei der ebenfalls durch menschliches Handeln mitverursachten COVID-19 Pandemie. Wenn Sie noch einmal detailliert nachvollziehen möchten, wie aus einem lokalen Ausbruch einer neuartigen Infektionserkrankung eine Pandemie mit Millionen von Toten und enormen Auswirkungen in vielen Lebensbereichen fast aller Menschen auf der Welt gekommen ist, dann können Sie diesen Artikel aus der Fachzeitschrift Lancet, der soeben erschienen ist, sich ansehen: How an outbreak became a pandemic: a chronological analysis of crucial junctures and international obligations in the early months of the COVID-19 pandemic (Lancet 2021). Im Rahmen meiner Tätigkeit beim Independent Panel on Pandemic Preparedness and Response (IPPR) haben wir zudem eine interaktive Chronologie der ersten Monate erstellt, die man hier findet: (Link). Weitere interessante Hintergrundartikel unseres Teams für das Panel finden Sie hier. Hier gibt es auch einen Blick zurück, Analysen zur Arbeit der WHO (Link), zur Reaktion der Gesundheitssysteme, dem Zugang zu Impfstoffen, Diagnostika und Therapeutika, sowie zu Menschenrechten und den sozialen Kosten der Pandemie (Stand der Analysen: April 2021). Desweiteren haben wir eine sehr ausführliche Übersichtsarbeit über die Reaktion der Gesundheitssysteme von 28 verschiedenen Ländern durchgeführt, die im Fachmagazin Nature veröffentlicht wurde: Health systems resilience in managing the COVID-19 pandemic: lessons from 28 countries (Link).
Eine wesentliche Empfehlung im Abschlussbericht des IPPR (Link) war neben einem gerechteren Zugang zu Impfstoffen die Erarbeitung eines globalen Pandemievertrags (s.u.). Leider ist bislang nur wenig in Bezug auf eine globale Impfgerechtigkeit erreicht worden. Das IGGB unterstützt daher den Verband der Nicht-Regierungsorganisationen (VENRO), der die Bundesregierung auffordert, schnell Impfstoffe an die COVAX Initiative der WHO abzugeben, den Ausbau von Produktionskapazitäten im globalen Süden zu fördern, die Finanzierung und Transparenz in diesem Bereich zu erhöhen sowie die lokale Gesundheitsversorgung im globalen Süden zu stärken (VENRO 2021).
Zur Beratung über einen globalen Pandemievertrag wird die WHO mit ihren Mitgliedsländern eine Sondersitzung der Weltgesundheitsversammlung (WHA) am 29.11.2021 abhalten. Damit Sie besser nachvollziehen können, worum es dabei geht, kann ich Ihnen eine Reihe von Artikeln empfehlen:
- A new pandemic treaty, revised International Health Regulations, or both? What is the actual roadmap? (Link)
- A pandemic treaty, revised international health regulations, or both? (Link)
- The case for an international pandemic treaty (Link) – “Kurzversion”
- A guide to a pandemic treaty – Things you must know to help you make a decision on a pandemic treaty – “Langversion” (Link)
- Pandemic Treaty Offers Opportunity to Repair Fault Lines in COVID-19 Response – and Address Equity (Link)
Ein wichtiger Aspekt der Diskussionen ist zudem, welche Rolle die WHO in Zukunft im Rahmen der Pandemieprävention, Vorsorge und Reaktion spielen soll. Das IPPR hat hierzu eine umfangreiche Bewertung der WHO-Arbeit im Rahmen der COVID-19 Pandemie publiziert: The World Health Organization: an Institutional Review (Link). Einige Experten sind der WHO gegenüber eher kritisch: WHO in its present form is not fit for purpose (Link). Die Finanzierungsfrage spielt dabei eine zentrale Rolle, so dass hier (mal wieder) eine Arbeitsgruppe der Mitgliedsstaaten zusammensitzt, um neue Lösungen für das Dauerproblem der Organisation zu finden: Last chance for WHO funding reform, lead diplomat warns (Devex 2021).
Ob all diese Diskussionen erfolgreich sein werden, werden wir frühestens Ende des Monats erfahren. Inwiefern diese Ergebnisse dann auch umgesetzt werden können und ob wir dann damit weitere Pandemien effektiv verhindern bzw. besser auf ein Ausbruchsgeschehen mit dem Potential für eine Pandemie reagieren können, bleibt abzuwarten. Letzteres hängt natürlich eng mit dem Präventions-Paradox (BzgA) zusammen, da z.B. aufgrund erfolgreicher bevölkerungsspezifischer Maßnahmen (z.B. Impfkampagnen) der Einzelne sein Risiko für geringer bewerten könnte als es in Wahrheit ist und daher selbst auf diese Maßnahme verzichtet und sich und andere damit gefährdet. Wir sollten also nicht aufgeben und weiterhin versuchen jeden Impfskeptiker soweit es geht zu überzeugen. Andernfalls wird COVID-19 uns auch noch im nächsten Winter beschäftigen…
Bleiben Sie gesund.
Mathias Bonk
IGGB Vorstand