COVID-19-Hilfe: Können wir diese aus China annehmen? 
Ein Schlaglicht von Ole Döring 

Zu den Kollateralschäden der „Infodemie“ zu COVID-19 gehört, daß es schwer fällt einzuordnen, was von medizinischen und diagnostischen Hilfsmitteln aus China zu halten ist. Man hat sich daran gewöhnt, dass „Made in China“ ein Hinweis auf fragwürdige Qualität sein muss. Als vor 130 Jahren England zum Schutz vor billiger und minderwertiger Importware aus Deutschland das Abwehrsiegel „Made in Germany“ einführte, hatte der mittlerweile sprichwörtliche Höhenflug „deutscher Wertarbeit“ bereits eingesetzt. Ähnlich geht es nun China. 

Vorsicht ist in der Tat angebracht, denn es geht um Produkte, die gesund oder krank machen, Wissen und Schutz bis hin zur möglichen Heilung bringen sollen, aber auch verheerenden Schaden anrichten können. China hat diese Herausforderung lange vor der aktuellen Krise erkannt. Mit Sars begann 2003 das massive Umdenken. Heute ist ein robustes Regime moderner Qualitätssicherung auf höchstem internationalem Niveau für medizinische Produkte installiert. Nach der Qualitätskrise steht das Land nun in einer Vertrauenskrise. Weil es noch immer minderwertige Medizintechnik gibt, die aus China kommt, weil Sicherungsmaßnahmen noch nicht überall greifen, weil das Governance-System seine Tauglichkeit erst noch nachhaltig unter Beweis stellen muss. Vor wenigen Tagen hat Spanien beklagt, eine Großlieferung von COVID-19-Tests aus dem südchinesischen Shenzhen sei unbrauchbar. Bestätigt dies den Verdacht chinesischer Schlamperei? Dazu sollte man wissen, dass die inkriminierten Tests zum Zeitpunkt der Bestellung weder von den chinesischen Behörden für Medizintechnik noch vom Handelsministerium für den Export zugelassen bzw. empfohlen waren. Dies hat die chinesische Botschaft in Madrid umgehend mitgeteilt. Wenn europäische Einkäufer direkt bei Herstellern ordern, ohne die nationalen Qualitäts- und Sicherheitsstandards zu beachten, liegt die Verantwortung bei ihnen. So müssen die spanischen Behörden erklären, warum sie für mehr als 400 Mio € Diagnostik in Shenzhen bestellen, die nach aktuellem ärztlichen Wissensstand nicht unumstritten und für den Export noch nicht empfohlen war. 
Auch sollte man zur Kenntnis nehmen, wie die betroffene Firma Bioeasy in Shenzhen reagiert hat. Nach einer sehr kurzen Prüfung hat sie umgehend die beanstandeten Chargen durch neue ersetzt. Bioeasy wies die vorgeworfenen Qualitätsmängel zurück, handelte aber kulant und unbürokratisch. Denn es gehe darum, „den Patienten bestmögliche Diagnostik zu geben und dafür zu sorgen, dass die Tests zielsicher und geschickt eingesetzt werden“. Damit verbunden wurde der Hinweis, wonach es bei solchen Schnelltests darauf ankomme die Gebrauchsvorschriften genauestens zu beachten. 

Was wie in diesem Fall vielfach übersehen wird: China hat sich selbst äußerst strikte Ablaufprotokolle für Qualitätskontrollen gegeben. Solange ein Produkt noch nicht die entsprechende Freigabe erhalten hat, kann es zwar legal verkauft werden, das liegt jedoch in der Verantwortung des Bestellers. Das betrifft nicht nur die Funktionalität, also Messgenauigkeit und Diagnose, sondern auch den kompetenten Gebrauch unter Einsatzbedingungen. Deshalb verwies die chinesische Botschaft nach Bekanntwerden der Probleme darauf, dass Bioeasy zum Zeitpunkt der Bestellung noch nicht auf der Liste empfohlener Unternehmen stand. Das sagt nichts über die Seriosität der Firma oder des Produktes, sondern über den Stand des Risikos für den Kunden, im – Interesse der Gesundheit. Bei internationalen Importen für die Nutzung im medizinischen Bereich kommt die Frage der sachgerechten Anwendung zur technischen Qualität hinzu. Wenn das Personal nicht spezifisch geschult ist und Abläufe fremd sind, wenn Gebrauchsanweisungen nicht verstanden werden, wenn Maßeinheiten oder Messwertanzeigen von dem Bekannten abweichen oder die Übersetzung unklar ist: dann sind unbefriedigende Testergebnisse und womöglich Schädigungen vorprogrammiert. Hier wird also ganz praktische Kultur- und Sprachkompetenz benötigt, über die eigene organisatorische und technische Fähigkeit hinaus. 

Das chinesische Gesundheitsministerium hat mittlerweile diese Tests nach Kriterien der Gesundheit, Sicherheit und Umweltverträglichkeit zertifiziert und für den Export in die EU freigegeben: Die „Unbedenklichkeit dieses nationalen Zulieferers wird bestätigt“. Wir wissen, dass die Krise unsere eigenen Schwächen aufdeckt. Wir erfahren ein beeindruckendes Maß an Solidarität aus der chinesischen Bevölkerung . Chinas Regierung gewährleistet Standards und Firmen verhalten sich kulant. Was wollen wir noch, ehe China als zuverlässiger Partner für Gesundheit gilt und die ausgestreckten Hände angenommen werden? Kann China es uns überhaupt recht machen? Hält man medizinische und hygienische Güter für den Inlandsgebrauch zurück, kommt der Vorwurf zu horten; wird im großen Stil gespendet oder vereinfachter Export ermöglicht, wird damit reflexartig politische Propaganda verbunden. Unser aller Zukunft ist wichtiger als ideologische Systemdebatten von gestern. Erinnern wir uns, als Anfang des Jahres deutsche Hilfslieferungen an China gingen. Hätten die Falken bei der Renminribao (Volkszeitung) Deutschland öffentlich beschuldigt, damit niedere ideologische Motive zu verfolgen und nicht Solidarität, hätten führende Medien die Hilfe als strategische Manipulation verleumdet, wie hätte man wohl hier bei uns reagiert? Was Chinas internationale Zusammenarbeit in der COVID-19-Krise angeht, kann man an vielen Orten etwas über Umsicht, Klugheit und Effizienz lernen.

Wir auch? 

Photo: Xinhua