COVID-19: Wer hat was zu sagen?
Ein Kommentar von Ole Döring
COVID-19 ist in aller Munde und die damit zugleich grassierenden Infodemien verstärken das Bedürfnis nach sicherer Information. Die Medien wollen möglichst exzellente Fachleute zitieren. Das ist nachvollziehbar, besonders da die kleinen Ressorts für Wissenschaft und Gesundheit die überaus komplexe und dynamische Datenlage allein nicht interpretieren können. Die Aushängeschilder der Virologie und des RKI stehen mit breiten Schultern der öffentlichen Meinung zur Seite.
Aber: bei dieser Zuweisung von Verantwortung an wenige Spezialisten kommt die Arbeitsteilung völlig zu kurz, die in Deutschland auf dem Gebiet der Gesundheits-Kommunikation und des Krisenmanagements besteht. Dadurch entsteht ein verzerrtes Bild, sowohl von dem was wir über COVID-19 (nicht) wissen als auch, worauf es beim Handeln ankommt und wer darüber am besten informiert.
Vereinfacht gesagt: Virologen und Infektiologen schaffen belastbare Daten unter Bedingungen des Labors. Präventologen, Gesundheitsstatistiker und Epidemiologen ordnen diese in wissenschaftliche, kulturelle und historische Zusammenhänge ein, Ärzte und Pfleger verknüpfen Forschung und Praxis mit ihrer klinischen Erfahrung. Fachleute für die Kommunikation unklarer Gesundheitsrisiken beraten die entsprechenden Strategien. Die Ressorts für Gesundheit, Wirtschaft, Ernährung, Arbeit oder Bildung ermöglichen idealer Weise die effektive Zusammenarbeit dieser Kompetenzen. Ethik und Soziologie bieten Reflexion zur Einordnung von Werten und Verhältnismässigkeit – zugleich mit einer Öffnung der, manchmal allzu deutschen, Perspektive für globale Dimensionen. Wenn diese Quellen klug orchestriert werden, entsteht ein Höchstmaß an Klarheit und Nuancen.
Besonders wichtig – und zugleich kaum wahrgenommen – sind vor diesem Hintergrund, beispielhaft, die Aktivitäten zweier „nachgeordneter“ Bundesbehörden: Erstens die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Sie bereitet vielfältiges Wissen für die Belange der Bürger und bestimmte soziale Gruppen auf: zum Beispiel zu Kindern und COVID-19 oder für chronisch Kranke. Hier wird Wissen konkret mit Handlungsempfehlungen verbunden und leicht zugänglich gemacht.
Zweitens ist die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) eine seriöse und gut zugängliche Informationsquelle, nicht nur für die Fachwelt und Multiplikatoren, einschliesslich Journalisten, sondern auch für die Grundlagen der gesellschaftlichen Wertschöpfung. Nur ein gesundes Arbeitsumfeld hält die Arbeitswelt in Gang und verbindet das Vorher mit dem Nachher der Krise.
Hier werden Maßnahmen, die für den Infektionsschutz der Bevölkerung empfohlen sind, zu Arbeitsschutzmaßnahmen. Die BAuA bietet Umsetzungshilfen des verfügbaren Wissens für Maßnahmen am Arbeitsplatz, sei es im Betrieb oder im home-office. „Das Ziel dabei ist es, die Infektionskette von SARS-CoV-2 zu unterbrechen und damit auch den Beschäftigtenschutz sicherzustellen.“ Damit erhält Gesundheitswissen zugleich auch eine ordnungspolitische Bedeutung.
Wenn es den Medien in Zukunft besser gelingt, die Zuständigkeiten unabhängig von Prominenz zu identifizieren und Kompetenzen entsprechend zu nutzen, können sie zu einem besseren Gelingen der verantwortungsvollen Zusammenarbeit in der kooperativen Risiko-Gesellschaft beitragen. Die Virologen und Warner werden entlastet und dürfen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Die Aufklärer dürfen aufklären. Die Deutungskompetenzen dürfen anregen und Korrekturen vorschlagen. Da niemand alles überblickt und ganz richtig machen kann, muß die Gesellschaft sich auf das Zusammenspiel dieser Arbeitsteilung im Hintergrund verlassen. Wir alle können durch diese bewährte Vielfalt nur gewinnen.